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ALLES ANDERS

Fünfundzwanzigplusvier

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Eine Nachricht, gewünscht, erhofft und plötzlich doch etwas Angst.
Voller Freude, Neugier und Vorstellungen, wie es sein wird.
Ein Herzschlag, undeutliche Bilder aus der Finsternis.
Erste Berührungen von innen. Es ist wirklich wahr.


Vorsichtige Vorfreude. Wagen, Bettchen kaufen. Wie wunderschön.
Kleine Strampler, Socken, Mützchen. Noch zu früh.
Noch so klein, noch so viel Zeit und plötzlich:
Aufregung beim Arzt, Aufklärung im Krankenhaus.
Was wollt ihr alle? Keine Panik, das wird schon wieder.
Alles anders.


Nachts wach. Wehen? Nein, das kann nicht sein.
Wehenschreiber Stunde um Stunde. Keine Besserung in Sicht.
Dann geht alles so schnell.
Kittel, Narkose, Ärzte und nichts zu sehen. Mein Körper gehorcht mir nicht.
Ein kleiner Schrei, ein winziger Katzenjammer und weg.
Alles anders.


Warten, bangen, Kopf leer, Herz weiß nicht wohin.
Eine erste Nachricht mit Foto. Ein ganz kleiner Kämpfer.
Anders als gedacht, anders als vorgestellt. Aber das spielt keine Rolle.
Nach Stunden die erste Begegnung.
Wo steckst du? Da drin? So klein? Und so viel Technik.
Alles anders.


Vorsichtiges Abtasten der eigenen Gefühle.
Mutterliebe? Mein Kind?
Dieses kleine Etwas, ohne Mund und Nase? Dafür mit Zipfelmütze.
Noch nicht zum Anschauen und Anfassen gedacht.
Und doch schon da.
Alles anders.


Blaues Licht, eine erste Berührung, dein winziger Fuß.
Keine weiche Babyhaut, sondern dünnes klebriges Pergament.
Blinken, piepen, zischen, nie Ruhe. Und immer sterile Hände.
Zugedeckt, Türchen zu, abgedeckt. Gute Nacht.
Alles anders.


Es heißt: Herzlichen Glückwunsch zur Geburt.
Fühlt sich viel zu früh an.
Geboren? Nein, einfach da.
Allen Bescheid geben? Besser noch nicht. Man weiß ja nie.
Alles anders.


Winzige nackte Haut auf meiner nackten Haut. Endlich.
Kabel, Schläuche, es zischt und fiept.
Mein Atem hebt dich auf und ab. Die Stunden fließen dahin.
Und ich singe. Und halte still. Genieße dich.
Alles anders.


Die Tür zur Station - eine Grenze. Zwischen dem normalen Leben.
Und unserer Elternwelt hier mit dir.
Pfleger und Ärzte geben Leib, Herz und Seele. Mehr als ein Job.
Hier bist du normal, die Normalen riesig.
Viele geben uns Kraft, keiner Gewissheit.
Alles anders.


Das erste Mal dein Gesicht. So siehst du also aus.
Die Zipfelmützen bleiben, wechseln die Farben.
Du wächst. Deine Haut verändert sich.
Der Bauch prall und durchsichtig, die Ärmchen und Beine so dünn.
Alles anders.


Bergauf, Bergab, Stunde um Stunde, Tag um Tag.
Jeden Morgen im Auto das Bangen. Wie war die Nacht?
Um uns herum Freud und Leid.
Routinen geben Halt. Für Besucher surreal. Für uns normal.
Alles anders.


Zu Hause alles wie vorher.
Kein Kind, kein Bauch. Auf dem Sofa zu zweit.
Eine Familie? Noch nicht richtig.
Und irgendwie doch.
Alles anders.


Eine Frage quält. Warum habe ich es nicht hinbekommen?
So wie andere Mütter? Neun Monate.
Tränen. Es tut mir leid.
Ein Trauma? Nein! Doch? Vielleicht ein bisschen.
Alles anders.


Und heute?
Wir genießen uns. Alles unendlich weit weg.
Erinnerungen. Manchmal. Fast wie ein Traum.
Wir lachen, wir reimen, wir streiten wir weinen.
Alles normal.

17. Juli 2019

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